Diese Stadt ist anders!

DER TEUFELSPAKT

ZUSAMMENFASSUNG DER VORHERGEHENDEN FOLGEN:

Das italienische Autorenpaar Monaldi & Sorti baut sich ein Einfamilienhaus in Anderswo. Ein Baupolizist verlangt von ihnen den bescheidenen Betrag von 5000 Euro, um „die Behördenwege zu vereinfachen“. Monaldi & Sorti weigern sich. Durch einen seltsamen Zufall werden sie von drei bösen Baupolizisten, Gangsta, Roiba und Schummel, unter einem Berg von Abbruchbescheiden begraben. Die Staatsanwaltschaft beginnt zu ermitteln. Ein Komplott korrupter Beamten gegen Menschen, die sich gegen Korruption wehren? „Aber nein, das ist nur ein Missverständnis“, beteuert der Leiter der Baupolizei, der gerissene Dr. Patrick Bautrick, um die Lage zu entschärfen. Doch der Vorgesetzte von Bautrick, der allmächtige Wohnbaustadtrat Ludwig van Beton, will seine geliebten Baupolizisten um jeden Preis schützen. Ein gefährliches Spiel auch für einen bewanderten Politiker wie Ludwig van Beton.

Aber eines schönen Tages stellt sich heraus, dass er einen ganz unerwarteten Verbündeten gewinnen könnte…

Ort:

Die Duschkabine des allmächtigen Wohnbaustadtrats von Anderswo, Ludwig van Beton.

Zeit:

Eine Minute nachdem das Warmwasser ausgegangen ist.

Personen:

Ludwig van Beton, Wohnbaustadtrat der Stadt Anderswo

Onno Werbungswahn, Pressesprecher von Ludwig van Beton.

Ein anonymer Beamter der Telefonvermittlung beim Wirtschaftsministerium.

Hofrat Edmund Schiefmund, Ministerialrat beim Wirtschaftsministerium.

 

 

 

Wassergeräusch in der Duschkabine. Durch die Glastür sieht man den dicken, nackten Wohnbaustadtrat. Er reibt sich den Rücken mit einer Riesenbürste ab und singt fröhlich eine Arie aus der Fledermaus.

LUDWIG VAN BETON – (laut jodelnd) „Trinke Liebchen, trinke schnell! Trinken macht die Augen hell!“ Hohohoho! Yahoooo! Aber…aber… Hilfe! Verrat! Das Warmwasser ist schon wieder aus!

ONNO WERBUNGSWAHN – (tritt ächzend in das Badezimmer, einen Bademantel tragend) Chef, ich bin da!

LUDWIG VAN BETON – (mit zornigem Gesicht kommt nass und zitternd aus der Dusche, zieht den Bademantel an). Ich habe diese Geschichte satt! Das Warmwasser ist immer aus, sobald ich meine Lieblingsarie singe! Meine Therme ist mi-se-ra-bel!

ONNO WERBUNGSWAHN – Chef, Sie sind aber schon seit einer halben Stunde da drin.

LUDWIG VAN BETON – Na und? Ich hab doch das Recht, mich nach einem langen Arbeitstag a bissl zu entspannen, oder?

ONNO WERBUNGSWAHN – Sie waren heute aber den ganzen Tag zu Hause. Sie haben alle Termine verschoben!

LUDWIG VAN BETON – Na und? Ich musste… Ich musste denken und meine Polit-Karriere planen. Denken kann sehr, sehr anstrengend sein. Je höher die politische Verantwortung, desto größer der intellektuelle Aufwand. Des kennst du ja ober net! Du denkst gar nicht! Weisst wos?

ONNO WERBUNGSWAHN – Bitte Chef zu ihren Diensten!

LUDWIG VAN BETON – (nimmt Platz auf einem Hocker und lässt sich von Werbungswahn Füße und Beine mit einem Badetuch abtrocknen). Nimm dein neues Luxus-iPhone und such mal im Internet die Telefonnummer von dem verdammten Wirtschaftsministerium.

ONNO WERBUNGSWAHN – (tippt mit wildem Eifer auf die Tastatur vom iPhone und reicht das Gerät seinem Chef) Da ist die Nummer, bitteschön.

LUDWIG VAN BETON – (wählt die Nummer) Hallo? Hier Ludwig van Beton!

VERMITTLUNG – (metallische, apathische Stimme) Na und?

LUDWIG VAN BETON – Ich bin der Wohnbaustadtrat von Anderswo!

VERMITTLUNG – Mir is Wurscht, ich kenn Sie goar net, ich oarbeite für den Bund. Mit wem wollens´ sprechen?

ONNO WERBUNGSWAHN – (flüsternd) Chef, die vom Bund sind immer so, kein Feingefühl für Politik.

LUDWIG VAN BETON – (zu Werbungswahn) Halt´ den Mund, Idiot. (zum Mann der Vermittlung) Ich will mit dem Beamten sprechen, der bei euch für Thermen zuständig ist. Wer ist der?

VERMITTLUNG – Wos weiss i?

LUDWIG VAN BETON – (Wutausbruch) Sie weigern sich, kooperativ zu sein! Sie wissen nicht einmal, wer ich bin! Lesen Sie denn keine Zeitungen?

VERMITTLUNG – Leider kane. I bin blind, wie die meisten hier in der Vermittlung. Behinderteneinstellungsgesetz, wissen’s.

LUDWIG VAN BETON – (wird plötzlich rot im Gesicht) Ach so, ja, ich verstehe. Macht nix, aufwied…

VERMITTLUNG – Moment. Für Thermen kenn i keinen hier im Haus, ober für Dampfkesselanlagen gibts scho einen.

LUDWIG VAN BETON – Dampfkesselanlagen? Perfekt! Leiten Sie mich bitte sofort weiter!

VERMITTLUNG – Durchwahl 337, Ministerialrat Edmund Schiefmund, biiiitteschön.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – (typische, schläfrige Beamtenstimme) Ja, Schiefmund.

LUDWIG VAN BETON – Hier spricht Ludwig van Beton.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – (plötzlich schön munter) Herr Wohnbaustadtrat! Welche Ehre! Was kann ich für Sie tun?

LUDWIG VAN BETON – (sehr zufrieden, blinzelt zu Werbungswahn) Ich brauche eine Sondergenehmigung für eine Therme der Extra-Größe. Wie lange braucht man dafür?

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Wie groß soll die Therme sein, Herr Wohnbaustadtrat?

LUDWIG VAN BETON – Sie soll auch nach der Arie „Trinke Liebchen, trinke schnell“ noch Warmwasser liefern.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Ach so… das wäre eine super Leistung, Herr Wohnbaustadtrat. Im Normalfall dauert es ein paar Monate.

LUDWIG VAN BETON – Wooooos? Zwei Monate für eine Sondergenehmigung? Und inzwischen soll ICH keine ordentliche Dusche haben?

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Wissens´, Herr Wohnbaustadtrat, da gibt’s verschiedene Dinge formell zu berücksichtigen… Wenn eine Inspektion kommt und etwas nicht in Ordnung ist, verstehen Sie mich richtig… I möcht keine schlimmen Konsequenzen erleiden.

LUDWIG VAN BETON – Ja, aber zwei Monate Wartezeit! Noch unerträglicher als die Gschicht´ von den zwei Häuslebauer aus Italien.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Wie bitte? Herr Wohnbaustadtrat, sprechen Sie zufällig von Monaldi & Sorti?

LUDWIG VAN BETON – Wooooos? Kennen Sie die auch?

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Die sind zwei Nachbarn von mir! Zwei Ausländer! Die haben sich ein Haus neben meinem Grundstück gebaut. Das verursacht mir wahnsinnige Magenbeschwerden. Wenn ich das Haus anschaue, kriege ich Sodbrennen. Na was, unsre Gärten in fremden Händen! Unser Anderswo! Ich bin ganz gelb im Gesicht darum. Kann man das Haus abreißen oder zumindest irgendwie rückbauen lassen? Das hätte auch meine Frau sehr gerne. Einfach so, als Beugestrafe. Sonst werden alle Welschen glauben, drüber kommen und zak zak, bauen, einziehen und wie bei ihnen zu Hause leben zu dürfen! Das geht goar net!

LUDWIG VAN BETON – Das wäre eine Möglichkeit. Eigentlich wollte ich das schon veranlassen. Wissens´, man braucht nur sich einzusetzen. Wie lange dauert´s für die Sondergenehmigung?

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Im Normalfall zwei Monate. Aber mit einer geschickten Einteilung der verschiedenen Dinge und so weiter und so fort kann es viel, viiiiel schneller sein. Wissens´, man braucht nur sich einzusetzen.

LUDWIG VAN BETON – Also, was soll ich machen? Einen Antrag stellen?

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – (superhöflich) Aber nein, um Gotteswillen Herr Wohnbaustadtrat! Ich organisiere alles und sage Ihnen bald Bescheid. Sicherheitshalber werde ich dafür sorgen, dass Sie eine Sondergenehmigung kriegen, die auch Turbinen für Atomkraftwerke umfasst. Sicher ist sicher. Wie lange dauerts für den Abbruch vom Haus der Italiener? Soll ich einen Antrag stellen?

LUDWIG VAN BETON – (vornehm) Aber nein, um Gotteswillen Herr Ministerialrat! Ich organisiere alles und sage Ihnen bald Bescheid. Sicherheitshalber werde ich dafür sorgen, dass das Haus der zwei Tschuschen samt Garten, Einfriedung, Pergola und Gartenzwerge am Boden zerstört wird.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – (galant) Es war wirklich ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen, Herr Wohnbaustadtrat.

LUDWIG VAN BETON – (beinahe erotisch) Es war wirklich ein Vergnügen, mit Ihnen zu sprechen, Herr Hofrat. Ich erlaube mir, Ihre Eckdaten meiner Sekretärin für jegliche weitere Veranlassung weiterzuleiten.

MINISTERIALRAT SCHIEFMUND – Selbstverständlich! Auf Wiederhören, Herr Wohnbaustadtrat!

Das Telefonat ist beendet. Der Wohnbaustadtrat wendet sich triumphierend in voller Kaffeesiederwürde an den Spiegel, wo er sich selbst, noch vom Bademantel umhüllt, liebevoll beobachtet. Währenddessen spricht er seinem Pressesprecher zu.

LUDWIG VAN BETON – Siehstd´, Idiot? Konsens durchs Mitreden und Mitgestalten erzielen! Gemeinsame Ziele verfolgen! Kommunikation fördern! Das ist die Kunst der Politik!

Man hört ein leises Schnarchen. Onno Werbungswahn, halb auf dem Boden ausgestreckt, liegt im Tiefschlaf.

LUDWIG VAN BETON – Aber bitte, das ist doch die Höhe.

Ludwig van Beton zieht sich schon wieder aus, hängt den Bademantel an einen Haken an der Wand, tritt nackt in die Duschkabine ein und dreht das Wasser erneut auf. Er nimmt das iPhone seines Untergebenen mit in die Dusche mit und hält eine Hand unter das fließende Wasser.

LUDWIG VAN BETON – Scheiße, noch immer kalt! (wählt eine Nummer) Hallo, Baupolizei? Den Chef, bitte. Hallo, Dr. Bautrick? Du, welche Fortschritte hamma gmocht mit dem Abbruch des Hauses der zwei Kerlen aus Italien? Du sagst, Du suchst und versuchst es seit Jahren, aber es ist wirklich unmöglich? Also lass sie zumindest a bissl rückbauen! Egal was: einen Balkon oder, was weiß i´, die Gerätehütte niederreißen, oder auch a Stückl Einfriedung, a paar Schilfmatten… Etwas MUSS bei den Zwei abgetragen werden, verdammt nochmals! Ich bin in der Dusche und es ist mir wahnsinnig kalt! Wie? Du fragst in welchem Zusammenhang die zwei Dinge sind? Ach, ihr Beamte! Ihr versteht doch nix von Politik!

Er schmeißt das iPhone aus der Dusche, nimmt die Megabürste und reibt sich wieder den Rücken ab, mit zitternder, vibrierender Stimme seine Lieblingsarie aus der Fledermaus singend:

LUDWIG VAN BETON – „Tri-i-i-i-nk-ke Li-i-i-ieb-b-b-chen, tri-i-ink-ke sch-schnel-l-l! Tri-i-ink-ken m-macht die A-Augen he-e-e-ll! Scheißkaltwasser, Scheißitaliener, Scheißtherme, Scheißministerial-Unrat!